Wertheim:
Hybrides Netzwerktreffen der jungen Bürgermeister*innen in Wertheim

Politik

Ein Artikel von Redaktion (pm)

Was sind die drängenden Herausforderungen für Kommunen, was die entscheidenden Themen für junge Kommunalpolitik – nicht nur für die Nach-Coronazeit. Um das zu diskutieren, traf sich das parteiübergreifende Netzwerk Junge Bürgermeister*innen am 20. Mai zu einer hybriden Konferenz in Wertheim. 20 Bürgermeister*innen aus ganz Deutschland waren der Einladung gefolgt, weitere 35 Teilnehmer*innen waren digital über Zoom dabei. „Es ist eine Ehre, dass das Netzwerk unsere Stadt für sein Treffen ausgewählt hat. Und es ist schön, dass es zumindest teilweise in Präsenz möglich ist“, so Wertheims Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez.

Mit Daniel Iliev (Heringen) und André Stenda (Hohenroda) waren gleich zwei junge Bürgermeister aus dem Landkreis Hersfeld-Rotenburg vertreten.

Acht Punkte für Kommunen

Michael Salomo, Bürgermeister von Haßmersheim und Sprecher der jungen Bürgermeister*innen und Henning Witzel, Leiter des Hauptstadtbüros des Netzwerks, informierten über die Aktivitäten der vergangenen und die Planungen für die nächsten Monate.

Die anschließende Diskussion eröffnete Bürgermeister Salomo mit einem Impuls. An acht Punkten machte er die Herausforderungen fest, vor denen die Kommunen jetzt stehen. Er sieht die Wiederbelebung des Vereinslebens als sozialen und emotionalen Anker für viele Bürger. Auch die Auswirkungen der Pandemie auf die Innenstädte und ein zu befürchtender Anstieg der Insolvenzen werde viele Kommunen stark beschäftigen, erwartet Salomo.
Bezahlbares Wohnen, Kinderbetreuung und Sozialarbeit dürfen nicht vernachlässigt werden. „Das würden die Menschen nicht verstehen, wenn man in diesen Feldern keine Lösung anbietet, aber zugleich Unternehmen oder Fluglinien mit Milliardenaufwand rettet“, betonte Salomo. Auch die Digitalisierung von Schulen und Verwaltung bleibe eine Daueraufgabe. „Es reicht ja nicht, Tablets über dem Schulhof abzuwerfen“ machte Salomo deutlich. Dazu komme, dass der Fachkräftemangel in den Verwaltungen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels vielerorts immer dramatischere Folgen hat.

Abschließend ist es die zunehmende Bedrohung und Gewalt gegen Kommunale, die die Arbeit erschwert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte dazu Ende April das Online-Portal „Stark im Amt“ freigeschaltet, bei dessen Entwicklung und Präsentation auch das Netzwerk eingebunden war.

Vor allem die Kommunen können wegen ihrer Nähe die Menschen direkt erreichen, ihnen auch eine emotionale Heimat bieten und so auch die Demokratie fördern. Doch dazu müssen Kommunen besser ausgestattet werden. Es geht nicht primär um mehr Geld, es geht um Handlungsfähigkeit. Salomo verwies hier auf klare gesetzliche Regelungen, die die Aufgabenfelder von Kommunen, Bund und Ländern definierten –  allerdings gibt es immer mehr bürokratische Hürden, so seine Kritik.

Kompliziert, langsam und ineffizient

Seine Forderung: „Man muss sich zusammensetzen und grundsätzlich über die Aufgabenteilung und die Finanzierung der staatlichen Ebenen neu reden.“ Besonders im Fokus standen dabei die Förderprogramme von Bund und Ländern. „Im Ergebnis kompliziert, langsam und ineffizient“ so die Zusammenfassung von Thomas Kling, Oberbürgermeister in Calw – sein Kollege aus der Gemeinde Oberrot im Landkreis Schwäbisch Hall, Daniel Bullinger, pflichtete ihm bei: „So geht es nicht weiter!“ Annika Popp, 1. Bürgermeisterin im oberfränkischen Leupoldsgrün wies darauf hin, dass Kommunen oft auf Folgekosten gutgemeinter Förderprogramme sitzen blieben, wenn zum Beispiel die IT-Administration von geförderten Laptops für Schulen bei den Kommunen Zusatzkosten verursacht. Noch gebe es in Bund und den Ländern viele Fördertöpfe für die unterschiedlichsten Bereiche. Nach Corona wird sich das ändern, weil Bund und Länder sparen müssen, so die Befürchtung der jungen Rathauschefs.

Bürgermeister Daniel Iliev aus Heringen (Werra) verwies in der Diskussion auch auf die Vorbildfunktion, die gerade junge Rathauschefs haben. So konnten in seiner Kommune seit der letzten Kommunalwal in Hessen viele jüngere Menschen zur politische. Mitarbeit motiviert werden . Die Arbeit eines jungen Bürgermeisters macht vielen erst wieder deutlich, dass man als junger Mensch etwas bewegen kann und es sich lohnt, sich für seine Kommune zu engagieren.

Digital die Welt retten

Über sein digitales Rathaus berichtete Wertheims Oberbürgermeister Herrera Torrez im Rahmen des folgenden Schwerpunktthemas „Breitband“. Anschließend ging es zum gemeinsamen Mittagessen zum Wahrzeichen Wertheims, der Burg. Am Nachmittag stellte der Unternehmer, Autor, Entwickler und Aktivist Jörg Heynkes unter der Überschrift „Zukunft 4.1 – warum wir die Welt nur digital retten, oder gar nicht“ mögliche Entwicklungen des digitalen Wandels auf die Kommunen vor. Auch Heynkes warb für Entbürokratisierung und eine Föderalismusreform, damit unser Gemeinwesen den vor uns liegenden Herausforderungen der vierten industriellen Revolution gewachsen ist.

Über das Netzwerk

Im September 2019 hat sich das Netzwerk Junge Bürgermeister*innen als eigenständiges Netzwerk unter dem Dach des Innovators Club, der kommunalen Ideenschmiede des Deutschen Städte- und Gemeindebundes gegründet. Unter „Junge Bürgermeister*innen“ verstehen wir alle, die bei ihrer vergangenen Wahl jünger als 40 Jahre alt waren. In Deutschland sind dies zur Zeit über 550 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aller demokratischen Parteien sowie parteilose. Diese verbindet oft eine andere, junge Sicht auf die kommunalen Dinge.